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Tasseographie, das Lesen in Teeblättern

Kaffeesatzlesen bzw. Tasseographie? Das ist vielen bekannt. Aber Botschaften aus Teeblättern deuten? Durchaus, wieso nicht? Dies werden Teeliebhaber ganz gelassen erwidern. Tee wird schließlich ebenso wie Kaffee auf der ganzen Welt getrunken, in manchen europäischen Ländern wie Großbritannien sogar deutlich lieber als Kaffee, am liebsten den ganzen Tag. In Asien gehört Tee bereits seit Jahrtausenden ganz selbstverständlich und untrennbar zur Lebens- und Genusskultur. Und so entwickelte sich die Mystik des Teeblätterlesens vor Tausenden von Jahren denn auch in Asien, genaugenommen in China.

Tasseographie

Tasseographie ©iStockphoto/Zinkevych

Tasseographie – Geschichtliche Entwicklung

Tasseographie – auch Tassology oder Tasseomancy genannt – beschäftigt sich mit der Deutung von dem, was gerade ist, und von dem, was kommen kann, und zwar anhand von Formen aus Teeblättern. Viele denken beim Teeblätter- oder auch Kaffeesatzlesen an die klassische wahrsagende Zigeunerin. Doch die Tasseografie wurzelt in China. Die Chinesen, die seit jeher als Volk von Teetrinkern bekannt sind, entwickelten diese mystische Kunst – manche sagen auch Wissenschaft dazu – bereits vor vielen Jahrtausenden.

Tassen mit Henkeln waren damals für die Teeblätterschau in China streng verpönt. Die traditionsbewussten Chinesen verwendeten für diese mystische Zeremonie ausschließlich ihre herkömmlichen henkellosen Tassen und drehten sie um: Damit erinnerten die Teetassen optisch an Glocken, die damals für „Glocken-Omen“ verwendet wurden. Aus den Deutungen der Teeblätter wurden (ähnlich wie übrigens beim Kaffeesatz) ab dem Ende der 19. Jahrhunderts bestimmte immer wiederkehrende Muster und Formen entwickelt, die sich dann als beliebte Dekoration auf Tee- und Kaffeegeschirr wiederfanden. Naheliegend widmete man sich im schon erwähnten Teelieberhaberland Großbritannien sowie auf dem gesamten asiatischen Kontinent bevorzugt der Schau von Teeblättern; in der Türkei hingegen diente schon immer der Kaffee, speziell die Reste des starken Mokkas, für mystische Vorausschauen.

Schlichte Schwarz Weiß Tasseographie

Die schlichteste Variante, Tasseographie im Alltag anzuwenden, besteht darin, nach unbedeckten – weißen – Bereichen in der Tasse Ausschau zu halten. Diese weisen auf das „Unbefleckte“ hin, also das Gute. Je dichter die Teeblätter den Tassenboden bedecken, umso schlechter sieht es für den Fragesteller aus. Denn alle Formen, die sich aus den Teeblätter bilden, deuten – weil sie dunkel sind – auf Böses hin. Dies ist wie gesagt eine ganz schlichte Variante des Teeblätterlesens. In der Regel werden aus den Mustern bestimmte Bilder herausgelesen, die gute wie auch schlechte Bedeutung haben können. Es ist grundsätzlich ratsam, stets ein wenig zu warten, bis die Blätterreste zumindest angetrocknet sind. Und ebenso wie das Kartenblatt beim Tarot muss die Tasse außerdem immer korrekt zu der Person platziert sein, die den Tee getrunken hat.

Praktische Anleitung zum Teeblätterlesen

Aus Sicht überzeugter „Tasseografen“ eignet sich chinesischer Tee (oder eine andere hochqualitative Teesorte) am besten für eine mystische Teezeremonie. Die historische Bedeutsamkeit Chinas für die Tasseografie spielt dabei weniger eine Rolle: Es geht vielmehr darum, dass sehr guter Tee nur minimal Teestaub enthält. Zu verwenden ist eine Teetasse, die so schlicht wie möglich ist. Keinesfalls verziert darf sie sein, schon gar nicht schreiend bunt. Eine einfache weiße Tasse ist die beste Wahl.

Pro Tasse, die der Fragende „lesen“ möchte, gibt er einen vollen und einen halben Teelöffel losen Tee in eine Teekanne. (Dass keine profanen Teebeutel für eine derart mystische Handlung in Frage kommen, versteht sich von selbst.) Kochendes Wasser wird eingegossen und kräftig gerührt. Sodann muss der Tee drei Minuten stehen. Erst dann gießt der „Zeremonienmeister“ eine Teetasse voll. Will er sich seine eigene Zukunft deuten, trinkt er den Tee selbst. In allen anderen Fällen lässt er die Tasse denjenigen austrinken, in dessen Auftrag er die Botschaft der Blätter deuten soll.

Wichtig ist: Die Tasse muss fast komplett ausgetrunken werden. Es darf nur noch ein so kleiner Rest Flüssigkeit in der Tasse bleiben, dass er die Teeblätter gerade eben bedeckt. Jetzt wird die Tasse hochgehoben: von Rechtshändern mit der linken, von Linkshändern mit der rechten Hand. Siebenmal hintereinander sanft im Uhrzeigersinn kreisförmig schwenken, wieder zurück auf die Untertasse stellen – und gespannt auf den Grund der Tasse schauen, um zu sehen, was das Teeorakel offenbart. Bei der ausgiebigen Schau der Teeblätter sollte man sich Zeit nehmen. Man konzentriert sich so lange auf die Muster, die sich aus den Teeblättern gebildet haben, bis die Bilder „zu sprechen“ beginnen. Sind vielleicht Zahlen erkennbar? Buchstaben, gar kurze Worte? Sieht das Muster einem Tier ähnlich, einem Werkzeug vielleicht? Alle Details sind wichtig.

Einige Symbole und ihre Bedeutungen

Der Apfel bedeutet wie die Banane Gutes. Der Fragesteller erreicht seine Ziele, Glück ist ihm beschieden. Die Axt hingegen warnt. Gefahr liegt in der Luft. Aufpassen. Nicht zu gutgläubig sein. Ein Teeblättermuster in Flaschenform deutet auf eine bevorstehende Krankheit hin. Das muss nicht – kann aber natürlich auch – eine Alkoholkrankheit sein. Jedenfalls auf der Hut sein und in der nächsten Zeit besonders gut auf die Gesundheit achten. Häufig präsentieren sich die Teeblätter als Linien. Verlaufen sie schnurgerade, sagen sie eine Reise voraus. Wellige Schlangenlinien stehen hingegen für Zögerlichkeit und Enttäuschungen.
Zeigt sich eine Schere, sollte der Fragende schnellstens seine Beziehungen überprüfen. Denn ein handfester Streit, der bis zur Trennung führen kann, steht vor der Tür.

Noch weniger angenehm ist natürlich ein Teeblättermuster in Form eines Totenschädels. Anders als beim Tarot, wo der Tod keineswegs zwingend auf ein Ableben hindeutet, eher auf umfassenden Neuanfang, ist der Schädel in der Tasseografie tatsächlich ein unheilvolles Symbol. Es deutet in der Regel auf den Tod hin – den des Fragesteller selbst oder den Tod eines anderen Lebewesens, mit dem er in Beziehung steht. Auch der Tod eines Haustieres kann mit dem Schädel bezeichnet sein.

Berechtigte Nervosität ist auch bei einem Tornado aus Teeblättern erlaubt: Unheil und Katastrophen stehen dem Fragenden bevor. Zusätzliche Striche oder Punkte in Tornadonähe warnen vor finanzieller Not bis hin zum Ruin. Insofern ähnelt der Tornado in der Tasseografie sehr dem Turm-Symbol im Tarot. Berühren Vierecke den Wirbelsturm auf dem Teetassenboden, ist dem Fragesteller immerhin ein vorsichtiges Aufatmen gestattet: Dann lässt sich das Unglück – vielleicht – noch einmal abwenden.

Tasseografie bei Harry Potter

Wer Harry Potter gelesen oder sich die Verfilmungen des Weltbestsellers angeschaut hat, wird vom Teeblätterlesen „irgendwie ohnhin schon einmal etwas gehört“ haben. Das Teeritual lernen Harry und seine Mitschüler nämlich ganz selbstverständlich im Zaubererunterricht. Die Lehrerin, Professor Trelawney, legt allerdings strengen Wert darauf, dass der tollpatschige Neville nicht ausgerechnet ihre Lieblingsteetasse für seine Blätterexperimente verwendet – prompt lässt der ungeschickte Schüler das zarte Porzellan zu Bruch gehen. Jedenfalls wirken die dezidierten Schwenkanweisungen der Professorin wie ganz klare und praktische Handlungsanweisungen an die Zaubererklasse.

In der Verfilmung des dritten Bandes, Harry Potter und der Gefangene von Askaban, taucht das Lesen in Teeblättern unter der Bezeichnung „Tasseomantie“ auf, zusammengesetzt aus dem französischen Wort „tasse“ (Tasse) und dem griechischen „manteía“ für Weissagung.

Die Botschaften der Teeblätter in Harry Potters Unterricht

Je nachdem, wie die Blätter des Tees auf der Untertasse angeordnet sind, deuten auch Harry Potter und seine Mitschüler unterschiedliche symbolhafte Zukunftsbotschaften aus ihnen heraus. So warnt der „Schlagstock“ zum Beispiel vor einem bevorstehenden Angriff, der „Schädel“ warnt vor furchtbarer Gefahr und der „Grimm“ verheißt sogar den in Kürze drohenden Tod. Entschieden erfreulichere Zeichen sind da schon „Sonne“ (Glücksverheißung) oder „Eichel“ (Gewinn von Reichtum, Gold). Wappnen sollte man sich für Prüfungen, wenn die Teeblätter das „Schiefe Kreuz“ zeigen.

Harry Potters Zauberer-Handbuch beschreibt außerdem eine Vielzahl weiterer Symbole und Bedeutungen. So beipielsweise das „Boot“ für den Besuch eines Freundes, den „Esel“, wenn Geduld erforderlich ist, oder die „Fahne“ – sie weht, wenn Gefahr droht. Der „Hase“ verkündet Erfolg, die „Gans“ eine Einladung, „Haus“ und „Horn“ stehen als bekannte Symbole für Sicherheit und Überfluss.

Ebenfalls ein bekanntes Symbol ist das Hufzeichen, es bedeutet auch im Teeritual naheliegend Glück. Gut ist auch der Frosch: geschäftlicher Aufschwung. Etwas überraschen mag es hingegen eingefleischte Harry-Potter-Fans, dass gerade Harrys Lieblingstier – die Eule – in Teeblättergestalt gar nichts so Erfreuliches verkündet: Entweder eine Krankheit oder ein Skandal steht dem Fragesteller bevor, beides keine wirklich erstrebenswerten Alternativen. Dann doch lieber ein treudummes Schaf – Glück – oder ein beliebiges Musikinstrument, das immerhin gute Gesellschaft verspricht. Höchst willkommen ist schließlich auch der Mond: Süßes Liebesglück winkt.

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