Teatime in Irland und England
Hört man jemanden von der Teatime sprechen, denkt man automatisch an Großbritannien. Vielleicht denkt der ein oder andere an ältere, stilvolle Damen und Herren, die gesittet beisammen sitzen, plaudern und dabei Tee trinken. Doch hinter der Teatime verbirgt sich noch viel mehr als diese klischeehafte Vorstellung. Die Teatime ist fester Teil der britischen Lebensart. Über Jahrhunderte hat sich die Teatime zu einer Tradition in ganz England,Irland und weiteren Teilen des British Commonwealth entwickelt. Die Teatime stellt auch in der heutigen Zeit ein wichtiges Kulturgut der Briten dar, das beim näheren Hinsehen zum Nachahmen verführt.
Wie der Tee nach England kam
Der Ursprung der britischen und irischen Leidenschaft für Tee liegt im 17. Jahrhundert. Damals wurde Tee als luxuriöse Ware aus China importiert, und war nur für die reicheren Bürger erschwinglich. Die Ehefrau von König Charles II., Katharina von Braganza, kann als Begründerin der Teatime gesehen werden. Denn sie war es, die den Tee als Zeremonie salonfähig werden ließ. Die Adligen und Reichen begannen Einladungen zum Tee auszusprechen, wodurch die Teatime immer bekannter und angesehener wurde, und sich nach und nach tief in der Kultur der britischen Oberschicht verwurzelte. Im Sommer wurde die Teezeremonie im Freien in den gepflegten Gärten der Landsitze durchgeführt, wodurch sie sich mit dem beliebten Cricketspiel verbinden ließ.
An diese Entwicklung anknüpfend entstanden neben den Kaffeehäusern, in denen neben Kaffee auch Tee serviert wurde, die Tea Gardens, in denen Tee im Freien angeboten wurde, und die zudem auch Frauen Zutritt gewährten. Der bis heute bekannte Begriff des Tanztees entwickelte sich ebenso zu dieser Zeit. Denn in den Tea Gardens war Unterhaltung gewünscht, und somit spielten regelmäßig Orchester, zu deren Musik getanzt werden konnte. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde Tee immer günstiger, wodurch er von immer mehr Menschen verschiedenster Schichten konsumiert wurde. Dadurch erhielt die Teatime Einzug in die allgemeine, britische Kultur bis sie sich schließlich um etwa 1830 als eigenständige Mahlzeit etablierte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts begann Großbritannien sich aus wirtschaftlichen Gründen von dem bisherigen Teeimport aus China abzuwenden und Tee in den eigenen Kolonien anzubauen. Die kräftigen Teesorten wurden nun vorrangig aus Indien importiert, was den Tee noch tiefer in der britischen Kultur verwurzelte.
Tea ist nicht gleich Tea
Bei der Bedeutung, die dem Tee in England und Irland zukommt, sowie den Regeln, die ihn umgeben, kann der Festlandeuropäer schon mal ins schlingern kommen. Denn Tee ist nicht gleich Tee. Versteht man hierzulande meist eine Tasse Tee oder eben eine Kanne Tee darunter, haben die Briten eine Vielzahl an Bedeutungen, die sich dahinter verbergen können. Angefangen beim Early Morning Tea, der früh morgens bereits vor dem Frühstück, teils sogar noch im Bett, getrunken wird, bis hin zum Reception Tea, der eine Form von Empfang darstellt, ganz ähnlich dem uns bekannten Sektampfang, und bei dem kleine Sandwiches und Fingerfood gereicht werden.
Formen der Teatime
Auch für den Nachmittagstee, die klassische Teatime, gibt es verschiedene Begriffe. So gibt es einfache und aufwendigere Varianten der Teatime. Die einfachste Form ist der Light Tea zu dem lediglich Scones gereicht werden. Etwas aufwendiger ist der sogenannte Cream Tea, bei dem zu den Scones zusätzlich auch Clotted Cream und Jam, also Konfitüre, serviert wird. Der klassische Afternoon Tea, der auch Low Tea genannt wird, ist noch deutlich umfangreicher. Dieser wird am Nachmittag, also zur klassischen Teatime, an einem niedrigen Tee- oder Couchtisch serviert. Dabei gibt es ein umfangreicheres Angebot an Speisen, die zumeist in einer dreistöckigen Etagere angerichtet werden. Eine besonders gehobene Variante des Afternoon Tea stellt der Royal Tea dar, bei dem zusätzlich Champagner oder Sherry gereicht wird. Als eine weitere Variante präsentiert sich der High Tea, der meist nur zu besonderen Anlässen zelebriert wird. Dieser findet in der Regel etwas später als der klassische Afternoon Tea statt, meist zwischen 17 und 19 Uhr. Aufgrund der späteren Uhrzeit vermischen sich dabei Afternoon Tea mit Abendessen. Deshalb wird der High Tea auch am Esstisch serviert, und Speisen wie kalter Braten, Salate und Kuchen gereicht.
Die Teezubereitung
Die Zubereitung des Tees wird bei der britischen Teatime regelrecht zelebriert. In der Regel werden schwarze, umaromatisierte Teesorten wie Ceylon oder Assam bevorzugt. Die zumeist eher kräftigen Teesorten werden bei der traditionellen Zubereitung in Form von losen Teeblättern in die Teekanne gegeben. Anschließend werden sie mit kochendem Wasser übergossen. Damit der Tee ausreichend zieht und stärker wird, wird gegebenenfalls ein weiteres oder mehrere Male heißes Wasser hinzugefügt.
Milk-in-first (Mif) und Tea-in-first (Tif)
Ein stark diskutierter Part der Teezubereitung ist die Frage nach der Milch. Generell trinken die meisten Briten und Iren ihren Tee mit Milch, denn Milch neutralisiert die Bitterstoffe des meist kräftigen Tees. Über die Milch im Tee hat sich eine mittlerweile bekannte Streitfrage entwickelt, ob zuerst der Tee oder zuerst die Milch in die Teetasse eingegossen wird. Diese beiden Lager werden als Mif-Anhänger (Milk-in-first) oder Tif-Anhänger (Tea-in-first) bezeichnet. Früher wurde die Milch oft zuerst eingegossen, um das empfindliche Porzellan zu schützen. Welche Methode letztlich die richtige ist, und ob es überhaupt einen Unterschied macht, sei dahingestellt.
Was darf nicht fehlen?
Außer dem Tee spielen auch die Räumlichkeiten, die Tischdekoration, die Darreichungsform und das Speisenangebot eine wichtige Rolle bei der Teatime. Da der Teatime in England und Irland eine so wichtige Rolle zukommt, machen sich die Briten natürlich ebenso viele Gedanken, um die Begleitumstände. Wichtig ist natürlich ein schönes Teeservice aus Porzellan und auch ein hübsches Silbertablett zu besitzen. Denn auch die Optik spielt eine bedeutende Rolle, stellt die Teatime doch ein gemütliches, zwangloses aber doch stilvolles Beisammensein dar. Auch eine hübsche Etagere darf bei der Teatime für das Servieren der verschiedenen Speisen nicht fehlen.
Der Knigge für die Teatime
Die klassische Teatime ist bei den Briten und Iren so traditionell verankert, dass sich im Laufe der Zeit auch bestimmte Regeln für die Abläufe entwickelt haben. Einer der wichtigsten Punkte, den man beachten sollte, wenn man zu einer Teatime eingeladen wird, ist, dass man sich nicht selbst Tee einschenkt. Dies übernimmt der Gastgeber. Zudem sollte man die Milch – ob sie nun vor oder nach dem Tee eingegossen wurde – geräuschlos mit dem Löffel umrühren. Generell wird in England und Irland die Teetasse samt Untertasse vom Tisch aufgenommen, und die Untertasse während des Trinkens in Kinnhöhe gehalten.
Auch Leckereien dürfen nicht fehlen
Die zubereiteten Speisen zur Teatime werden in der Regel in einer dreistöckigen Etagere serviert. Dabei werden deftige Speisen zumeist ganz unten platziert, darüber Kuchen und Teebrot, und ganz oben Patisserie und Gebäck. Generell sind auch die Speisen traditioneller Bestandteil der britischen Teatime. Beim klassischen Afternoon Tea werden oft kleine Sandwiches und Fingerfood als deftige Variante serviert. Ein weiterer klassischer Begleiter zum Tee ist das Teebrot, das Tea Bread bzw. der Tea Cake. Dabei handelt es sich in der Regel um ein speziell für die Reichung zum Tee gebackenes Hefegebäck. Das Teebrot gibt es in verschiedene Varianten, u.A. das Current Bread, oder auch Fruit Bread, welches Trockenfrüchte enthält. Das Spice Bread unterscheidet sich durch zusätzlich hinzugefügte Gewürze. Ebenso beliebt ist das Malt Bread, ein weiches Malzbrot, das Rosinen enthält und in der Regel mit Butter gegessen wird. Kleine Teekuchen, die verschiedene Gewürze und Rosinen enthalten, sind unter dem Begriff Fat Rascals geläufig. Auch diese werden in der Regel warm serviert und mit Butter gegessen. Ein echter Klassiker, der mittlerweile auch vereinzelt in deutschen Cafés serviert wird, sind die Scones. Klassisch werden sie mit Clotted Cream und Jam serviert, also einer Art gehaltvollen Sahne und Erdbeerkonfitüre.
Die Teatime – mehr als Trinkkultur
Natürlich hat die Teatime in Deutschland keinerlei Tradition, und die Deutschen sind generell eher dem Kaffee als dem Tee zugetan. Dennoch ist die britische Teatime viel mehr als nur das Trinken von Tee. Letztlich bezeichnet sie eine traditionelle Form von geselligem Beisammensein, vom Treffen und Plaudern mit Freunden verbunden mit einem gemütlichen Snack am Nachmittag. Diese Tradition bietet den Rahmen für eine Pause im Alltagsstress, um sich Zeit für Freunde, nette Gespräche und gutes Essen zu nehmen. In der Teatime liegt eine gewisse Achtsamkeit, die in der heutigen Zeit nicht mehr häufig Platz findet. Das zeremonielle Zubereiten des Tees, die sorgsame Auswahl und das Schaffen eines schönes Ambientes, die selbst gemachten, hübsch angerichteten Speisen – das Alles lässt die Teatime so besonders und zu einer Bereicherung der heutigen Zeit werden. Wir können uns also getrost etwas bei den Briten und Iren abschauen, denn die Teatime ist auf jeden Fall nicht nur eine leckere Mahlzeit, sondern eine wunderbare Tradition und Form der britischen Lebensart.